CHRONIK - Stoabruch Büchlberg | Büchlberger Granit in aller Welt

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CHRONIK

FAMILIE KERBER

Die Gebrüder Kerber Granitwerke Büchlberg

Als in den Jahren 1836 bis 1838 die kleine Wallfahrtskirche zu Büchlberg im unteren Bayerischen Wald, damals noch eine Nebenkirche von Hutthurm vergrößert wurde, mußte man die „Hausteine" aus dem zwei Wegstunden entfernten Markt Hauzenberg beziehen. Gut drei Jahrzehnte später sollte in Büchlberg an der Südflanke eines mittelalterlichen Burgberges, ein Steinbruch erschlossen werden, der sich zu einem der größten und ergiebigsten ganz Ostbayerns entwickelte.
Seit 1857 betrieb Johann Kerber (1825-1891), Mahl- und Sägemüller in Kittlmühle bei Büchlberg bei seiner Mühle auch eine „großartige Raps- und Leinölfabrik zur Herstellung von Maschinenöl, die am 13. Juli 1863 ins Passauer Handelsregister eingetragen wurde. Zusammen mit seinem Prokuristen Johann B. Kudorfer eröffnete er als Zweiguntemehmen 1870 im Büchlberger Bergholz einen Steinbruch, aus dem die „Granitgewerkschaft J. Kerber" bereits ab 1874 Randsteine, Stufen, Böschungs- und Podestplatten nach Passau, Mühldorf, München und Wien, ab 1880 sogar Werksteine nach Berlin liefern konnte. Hauptabnehmer für Werksteine aus Kerbers Betrieb war in Berlin die Firma Kessel & Röhl, die sich seit 1868 auf die Herstellung von Granitdenkmälern spezialisiert hatte.
Eine „Spezialität" wiederum der Firma Kerber, die damals 50 Arbeiter beschäftigte, waren freitragende gerade und geschwungene Treppen. 1882 wird die Jahresproduktion mit über 1.000 Tonnen „Hausteine" beziffert. 1885 übernahmen die drei Söhne Johann Kerbers, Johann jun. (1857-1915), Josef (1860-1924, ab 1903 Brauerei- und Granitwerkbesitzer in Fürstenstein) und Carl (1861-1939) das Unternehmen als Offene Handelsgesellschaft, die am 24. November 1885 ins Gesellschaftsregister des Handelsgerichts Passau eingetragen wurde. Ein Jahr später eröffneten die Gebrüder Kerber, die ihren Steinbruch immer noch als „Nebenbranche" ihrer gutgehenden Ölfabrikation bezeichneten, auch einen Bruch bei Nottau nahe Hauzenberg.

Familie des Granitunternehmers Johann Kerber
Familie des Granitunternehmers Johann Kerber (1825-1891) in Kittlmühle
bei Büchlberg, um 1880.  Rechts eine freitragende Granittreppe,
die Kerber als eine "Spezialität" seiner Firma bezeichnete.
Bild: Stadtarchiv Waldkirchen
Sie erzeugten jetzt mit 120 Arbeitern jährlich 2.000 t Werk- und Denkmalsteine, die sie in Bayern, Württemberg, Baden, Sachsen, und Preußen absetzten. Ihre Brüche waren schon mit Rollbahnen ausgestattet. Auf Betreiben Johann Kerbers, der die kaufmännische Leitung übernommen hatte, und mit finanzieller Unterstützung der J. Kerber O.H.G. entstand 1890 in Büchlberg eine staatlich geförderte Steinhauerschule, die nach kurzer Unterbrechung und Umwandlung in eine Fachzeichenschule 1899, bis 1914 auf „segensreichste Weise“ wirkte. Für die zahlreichen Steinmetzlehrlinge des Unternehmens Kerber war der Besuch dieser Schule ,,obligat", jedoch beklagte Johann Kerber wiederholt, daß die so ausgebildeten Steinmetze dann häufig zu  anderen, konkurrierenden Firmen wechselten. Der Erste Weltkrieg setzte der Schule ein Ende.
1890 bemerkte die Passauer Handels- und Gewerbekammer: „Die Granitindustrie in Niederbayern und besonders in Büchlberg nimmt riesigen Aufschwung, da dieses Material nicht blos mehr zu Pflaster und Bausteine, sondern für Prachtbauten, für Facaden etc. verwendet wird, wie solches bei dem deutschen Reichstagsgebäude in Berlin der Fall ist. Im Jahr darauf, die Ursache ist nicht bekannt, verweigerte die Hausbank der Firma Kerber, die Bayer.  Hypotheken- und Wechselbank in München weitere Kredite. Die Gebrüder Kerber machten - zur Überraschung, zum Entsetzen, aber auch zum Schaden vieler - Bankrott, ihr Besitz wurde zwangsversteigert! Doch schon im folgenden Jahr, 1892, gelang es der vermögenden Ehefrau Johann Kerbers, Lina Kerber (1848-1904), geborene Ostheimer, verwitwete Roller aus Passau, den Steinbruch in Büchlberg zurückzukaufen und so das Unternehmen zu retten. 1893 erhielt die Firma Lina Kerber den ersten größeren Randstein-Auftrag der Stadt München. Ab 1. September 1896 wieder als „Gebrüder Kerber O.H.G." firmierend, nahm das Unternehmen noch im selben Jahr zwei weitere Brüche, in Berbing bei Hauzenberg und Hötzendorf bei Tittling in Betrieb und beschäftigte 245 Arbeiter. Erzeugt wurden vorwiegend Werksteine, deren Hauptabsatzgebiet Norddeutschland war, dazu auch Rand- und Pflastersteine. Zulieferer (Unterakkordanten) hatte die Firma um Tittling, im Ilztal, um Waldkirchen, Wollaberg, Sonnen und Hauzenberg. 1901 übernahmen die Kerbers von Martin Stadler den Bruch Höhenberg bei Tittling, 1903 von Alois Hausteiner sieben Brüche bei Hauzenberg: Bauzing, Tiessen, Eckmühle, Schachet, Lindbüchl, Wotzdorf, Niederkummering. Die Hinwendung nach Hauzenberg bewirkte der Bahnbau.
Die Firma Gebrüder Kerber wuchs so in wenigen Jahren auf erstaunliche Weise zum zweitgrößten Granitunternehmen Ostbayerns, das um 1905 Steinbrüche in Büchlberg, bei Hauzenberg, Tittling und Fürstenstein sowie im Ilztal bei Neukirchen vorm Wald betrieb und an die 1.000 Arbeiter beschäftigte. Bereits 1904 installierte die Firma im Bruch Schachet bei Hauzenberg drei der kurz zuvor in Dänemark entwickelten Steinspaltmaschinen (System Bornholm) zur Herstellung von Kleinpflastersteinen. Gleichzeitig verband sie diesen Bruch durch eine Bremsbergbahn und ein Industriegleis mit der Endstation der 1904 eröffneten Eisenbahn Passau - Erlau - Hauzenberg. 1906 wurden auch in Büchlberg Spalthämmer eingerichtet. Jährlich produzierte die Firma etwa 700 Waggons Werksteine und 2.000 bis 2.500 Waggons Pflaster- und Randsteine, die im gesamten Deutschen Reich sowie in der Österreichisch-ungarischen Monarchie Absatz fanden. Eine 1906 veröffentlichte Liste von beeindruckender Länge verzeichnet Bauten und Denkmäler in 41 deutschen Städten, für die die Firma Kerber Werksteine in gestockter, geschliffener und polierter Bearbeitung geliefert hatte. 1909 gelangten aus Büchlberg drei riesige Monolithe, jeder 15t wiegend, nach Berlin.
Schon bei den großen Bayerischen Landes-Industrie- und Gewerbeausstellungen in Nürnberg errang die Firma 1882 die große Bronzene, 1896 die Silberne, 1906 die Goldene Medaille. Besonders bekannt wurde das Granitwerk Kerber, das hervorragende Steintechniker wie Paul Maubach und Anton Freund beschäftigte, durch die Ausführung komplizierterer Werksteinarbeiten für Hoch- und Brückenbauten, für Denkmäler sowie für Schleusenanlagen und Deichbauten in Holland, seit dem Ersten Weltkrieg zudem durch die Lieferung großer Säurebehälter aus Granit für die deutsche Chemische Industrie in der Rheinpfalz und für Papierfabriken im Rheinland. Johann Kerber als kaufmännischer, sein Bruder Carl als technischer Leiter, wurden beide zu Kommerzienräten ernannt, der eine 1911, der andere 1923. Ebenso wie später ab 1925, Carls gleichnamiger Sohn (1900-1962) waren sie jahrzehntelang Wortführer der niederbayerischen Granitindustrie. Der erste Akkord-Lohntarifvertrag für die Granitindustrie des Bayerischen Waldes, abgeschlossen 1908 zwischen dem Verband der Granit-Industriellen in Bayern (gegründet 1897) und dem Verband der Steinarbeiter Deutschlands (gegründet 1893), trägt die Unterschrift Johann Kerbers.

Zum 1. Januar 1903 gründeten die Brüder Johann und Carl Kerber zusammen mit einem weiteren Bruder, Max (1863-1909), Hefefabrikant in Rittsteig bei Passau, als Zweigunternehmen in Passau ein eigenes Pflastersteingeschäft, das 1905 den Bruch Steinhof im Ilztal erschloß und betrieb und den Verkauf des Straßenbaumaterials organisierte. 1910 übernahm die Witwe Max Kerbers, Therese, geborene Wieninger, diese Firma, bis deren Tochter Anna den Hamburger Reeder Robert Bornhofen heiratete, worauf das Geschäft ab 1921 als „Passauer Granitwerke Robert Bornhofen" geführt wurde. Nach Scheidung und Wiederverheiratung Anna Bornhofens mit dem Hamburger Kaufmann Paul Merckenschlager 1924 hieß die Firma „Passauer Granitwerke Anna Merckenschlager, geb. Kerber". Während der Weltwirtschaftskrise, 1931, machte das Unternehmen Konkurs, worauf es Paul Merckenschlager erwerben konnte. Es besteht heute noch unter dem Namen „Hötzendorfer Granitwerke Merckenschlager KG" mit Sitz seit 2012 in Tittling.

ab 1924 Passauer Granitwerke Anna Merckenschlager, geb. Kerber
Anna Merckenschlager geborene Kerber, Tochter von Max Kerber
ab 1924 Passauer Granitwerke Anna Merckenschlager, geb. Kerber
geb. 12. Dezember 1887, gest. 06. Dezember 1949
Bild: Privat - Merckenschlager
Bis 1890 mußten die im Werk Büchlberg erzeugten Werksteine, in Holzkisten verschlagen, mit eigenen Pferdefuhrwerken zur Bahn nach Passau, später zur Station Kalteneck der 1890 bis Röhrnbach teileröffneten Ilztalbahn Passau - Freyung transportiert werden. Die Kosten dafür waren hoch. Seit 1882 betrieb deshalb Johann Kerber jun. mit großem Engagement einen Eisenbahnanschluß Büchlbergs zur damals bereits projektierten Bahn von Passau nach Freyung. Als alle seine hartnäckigen Bemühungen scheiterten (der große Kontrahent des auch politisch ambitionierten liberalen Kerber war der einflußreiche Passauer Zentrumsabgeordnete Prälat Dr. Franz Seraph Pichler, Bayerns heimlicher „Eisenbahnminister"), baute das Granitwerk Kerber 1911 eine 5,5 km lange Drahtseilbahn von Büchlberg zur Bahnverladestation Fischhaus. Den elektrischen Strom zum Betrieb lieferte ein eigenes Elektrizitätswerk, das die Kerbers bei ihrer damals zurückgekauften Kittlmühle errichteten. Mittels der Drahtseilbahn konnten dann jahrzehntelang große Mengen Wasserbau- und Pflastersteine preisgünstig (nämlich durch Verwertung des Abfalls bei der Werksteinproduktion) abgesetzt werden. Nach dem Bau der llzbrücke bei Fischhaus 1953 und Einführung des Lkw-Transportes wurde die Drahtseilbahn 1955-1958 stillgelegt und abgebaut.
Die Glanzzeit der Firma Kerber war zweifellos vor dem Ersten Weltkrieg, als Denkmäler bis Südamerika geliefert wurden. Produktionsdrosselung während des Krieges, umfangreiche Reparationslieferungen in den zwanziger Jahren, Kurzarbeit und Bruchschließungen während der Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929-1933, Auftragsboom in den Jahren des Nationalsozialismus kennzeichnen die weitere Entwicklung auch dieses Granitunternehmens. Bedeutende Großaufträge brachten der Bau des Kachlet-Donau-Kraftwerks bei Passau 1922-1927 sowie der NS-Reichsparteitagsbauten in Nürnberg, insbesondere der großen Kongreßhalle nach 1933. 1937 trat die Firma Gebrüder Kerber deshalb auch der „Arbeitsgemeinschaft Natursteinlieferungen Reichsparteitagsbauten Nürnberg" bei. Schon 1932 gründeten die Granitwerke Gebrüder Kerber O.H.G. zusammen mit vier anderen Großunternehmen der Branche als Verkaufsorganisation die „Arbeitsgemeinschaft der Bayer. Pflastersteinindustrie rechts des Rheins G.m.b.H. Passau" (1944 umbenannt in „Bayer. Pflaster- und Werksteinindustrie G.m.b.H."), in die später fast alle ostbayerischen Granitwerke eintraten, die alle Staatsaufträge abwickelte und der die Firma Kerber bis 1955 angehörte. Beim Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zählte das Unternehmen Kerber, das sehr viel für die Gemeinde Büchlberg tat und dort 1938 bis 1940 ein großes „Gefolgschaftshaus" baute, mehr als 650 Beschäftigte, davon über 200 Arbeiter und Angestellte in Büchlberg selbst, weitere 450 in den Betrieben Matzersdorf, Höhenberg und Eberhardsreuth. Die übrigen Brüche bei Fürstenstein und Hauzenberg waren bereits ab 1919 nach und nach an andere Firmen gelangt, die meisten an die Passauer Granitwerke Anna Merckenschlager, geb. Kerber.

Als Kommerzienrat Carl Kerber am 27. November 1939 starb, beklagte die „Gefolgschaft" den Verlust eines „gottgerechten und hilfsbereiten Chef(s)."
Der Zweite Weltkrieg erlaubte dem Unternehmen bald nur mehr die Ausführung „kriegswichtiger Aufträge. Neben älteren Steinhauern und Steinmetzen (die jüngeren waren zur Wehrmacht eingezogen) waren zuletzt als Hilfsarbeiter 30 russische Kriegsgefangene in Büchlberg beschäftigt. Erst 1948 konnte der Betrieb wieder aufgenommen werden. Doch bereits 1951 war die Firma Gebr. Kerber mit 247 Beschäftigten der (nach der Zahnradfabrik Passau-Grubweg) zweitgrößte Betrieb im Landkreis Passau. Über 35 Jahre, seit 1925 leitete Carl Kerber jun., der die Technische Hochschule in München besucht hatte, als Geschäftsführer das Familienunternehmen. Er blieb kinderlos. Nach seinem Tod 1962 verkaufte die Witwe Thea, geborene Hatz aus Pforzheim 1968 die „Kerber-Villa" an die Gemeinde Büchlberg (jetzt Rathaus). Ebenso verkaufte sie die Steinbrüche, zuletzt 1969 den Bruch Büchlberg an die Granitwerke Josef Wachtveitl KG in Waldkirchen, die den Betrieb 1972 stilllegte, das Gewerbe jedoch erst 1989 in Büchlberg abmeldete. Der große Steinbruch im Bergholz, den sich die Natur zurückerobert, steh heute als Biotop unter Landschaftsschutz.

geb. 11.07.1900   gest. 04.10.1962
Über 35 Jahre, seit 1925 leitete Carl Kerber jun. (1900-1962)
der die Technische Hochschule in München besuchte,
als Geschäftsführer das Familienunternehmen.
Bild: Stadtarchiv Waldkirchen
(Text:  Paul Praxl, „Eine Haupternährungsquelle dieser Gegend“
- Die Geschichte  des Granitgewerbes in Ostbayern,
in: Winfried Helm (Herausgeber),  Granit,  Hauzenberg 2013)
Familiengrabstätte der Familie Kerber im alten Friedhof Büchlberg
(Foto: Rainer Fuchs)


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